Veranstaltung "Deutschland hat Zukunft" am 14.05.2025

Gutachten "Bildungsleistung durch Verbindlichkeit"

Das Leistungsniveau deutscher Schüler*innen ist nach einem Anstieg in den letzten Jahren unter das Niveau des PISA-Schocks im Jahr 2000 zurückgefallen. Nur etwa ein Drittel dieses Rückgangs lässt sich durch eine veränderte Zusammensetzung der Schülerschaft erklären. Der Aktionsrat Bildung analysiert in seinem neuen Gutachten die Gründe für den erneuten Abwärtstrend und fordert die Durchsetzung von mehr Verbindlichkeit im gesamten Bildungssystem. Neben unzureichender Förderung der Kernkompetenzen aller Lernenden werden auch die mangelnde bundesweite Vergleichbarkeit der Bildungsergebnisse sowie veränderte Erziehungspraktiken als Erklärungsansätze für den starken Leistungsrückgang genannt. 

Im Gutachten werden Lösungsansätze aufgezeigt, wie die Verbindlichkeit im Bildungswesen nachhaltig erhöht werden kann. Auf der Grundlage einer empirisch abgesicherten Bestandsaufnahme leitet der Aktionsrat Bildung konkrete Handlungsempfehlungen für die politischen Entscheidungsträger ab. Das Gutachten wurde am 14. Mai 2025 im Rahmen des hybriden Kongresses „Deutschland hat Zukunft –“ veröffentlicht.

vbw Präsident Wolfram Hatz betonte in seiner Rede, dass die Lernenden mit steigendem Lebensalter in zunehmendem Maße Verantwortung für die eigene Bildungsbiografie übernehmen müssen. Er betonte zudem die Bedeutung dieser Verantwortungsübernahme für die Wirtschaft: „Deutlich zielführender als freundliche Unverbindlichkeit ist Klartext. Denn das Problem mit der Unverbindlichkeit ist, dass sie zu vieles offen lässt und sie keine Transparenz schafft über Erfolge und Misserfolge. Darum brauchen wir für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit unseres Standortes zwingendermaßen Verbindlichkeit. Es muss jedem Bildungsakteur klar sein, welche Pflichten zu erfüllen sind und wann Anstrengung erforderlich ist. Die Schülerinnen und Schüler sind unsere Fachkräfte von morgen. Wir müssen sie zu mehr Eigenverantwortung beim Lernen motivieren und gleichzeitig dabei unterstützen, ihre Basiskompetenzen zu entwickeln und zu verbessern“.

Im Anschluss führte Prof. em. Dr. Rudolf Tippelt, Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Mitglied des Aktionsrats Bildung, in die Inhalte des Gutachtens ein. Er betonte, dass Bildung stets Selbstbildung der Individuen sei und somit aktuelle Diskurse, die dem Staat einseitig die Verantwortung für gelingende Bildungsprozesse zuschöben, zu kurz griffen. Er plädierte für verbindliche Qualitätsstandards, die durch ein lückenloses Monitoring auch mit Konsequenzen im Sinne einer verbindlichen Förderung sowie der Implementierung einer verbindlichen Schul- und Unterrichtsentwicklung verknüpft werden müssen. 

Die Inhalte des Gutachtens wurden durch drei weitere Mitglieder des Aktionsrats Bildung vorgestellt. Zu den psychologischen Hintergründen referierte Frau Prof. Dr. Bettina Hannover, Leiterin des Arbeitsbereichs Schul- und Unterrichtsforschung im Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie an der Freien Universität Berlin. Sie ging einleitend auf die gesellschaftlichen Ursachen einer im Zeitverlauf der letzten Jahrzehnte abgeschwächten Verbindlichkeit im Kontext von Bildungsprozessen ein. Demnach führen abgeschwächte Leistungsanforderungen und eine erhöhte Durchlässigkeit im Bildungssystem dazu, dass die Wertigkeit von Bildungsabschlüssen aus Sicht der Lernenden zunehmend fraglich wird. Auch Veränderungen in den Werteorientierungen und in den Erziehungspraktiken sowie die im historischen Verlauf vergleichsweise guten Arbeitsmarktchancen werden dafür verantwortlich gemacht, dass Schüler*innen heute möglicherweise weniger motiviert sind, hohe Leistungen zu erbringen. 

Prof. Dr. Nele McElvany, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Schulentwicklungsforschung (IFS), Technische Universität Dortmund, ging auf die Bildungsphasen frühe Bildung und Primarstufe ein. Sie betonte die hohe Bedeutung der beiden Bildungsphasen für alle nachfolgenden Bildungsphasen – insbesondere auch mit Blick auf das Thema Sprachförderung. Als ein zentrales Ziel beider Bildungsphasen nannte Sie die Stärkung der Kernkompetenzen in den Kernfächern Deutsch und Mathematik. Als Forderungen an die Bildungspolitik nannte Sie unter anderem die verbindliche Sprachförderung, die Flexibilisierung der Grundschulzeit und die bildungswirksame Nutzung des Ganztags.

Prof. Dr. Tina Seidel, Direktorin des TUM Center for Educational Technologies München, erläuterte die Bedeutung des Themas „Verbindlichkeit“ für die Sekundarstufe und die Hochschule. Für den Bereich der Sekundarstufe hob sie die Bedeutung eines kontinuierlichen Bildungsmonitorings hervor, aus dem in der Folge auch verbindliche Konsequenzen für die Bildungspraxis abgeleitet werden müssen: Der Leistungsstand von einzelnen Klassen und Schulen muss transparent verfügbar sein und sollte im Falle eines Leistungsrückstands verbindliche Fördermaßnahmen sowie eine systematische Schul- und Unterrichtsentwicklung zur Folge haben. Für den Bereich der Hochschule erläuterte sie die unterschiedlichen Ebenen, auf denen die Verbindlichkeit gesteigert werden kann: So soll beispielweise durch verbindlichere Regelungen beim Zugang zum Studium sowie bei den Prüfungen eine Senkung der Abbruchraten erreicht werden. Frau Prof. Dr. Seidel betonte, dass begleitend zu diesen Maßnahmen auch die Beratung von Studierenden sowie die soziale Einbindung an den Hochschulen gestärkt werden müsse.

Die Präsentationen der Mitglieder des Aktionsrats Bildung wurde abgerundet durch die Vorstellung von zwei Schulen, die sich durch die engagierte und verbindliche Förderung ihrer Schüler*innen auszeichnen. Im Anschluss an zwei kurze Filmbeiträge skizzierten Kerstin Krins, Schulleiterin an der Rothenburg Grundschule in Berlin sowie Helmut Klemm, Schulleiter der Eichendorffschule in Erlangen, die Bedeutung von Verbindlichkeit im Alltag Ihrer Einrichtungen. 

Die Veranstaltung wurde von einer Podiumsdiskussion abgerundet, die von Herrn Christian Nitsche (Chefredakteur des Bayerischen Rundfunk) moderiert wurde. An der Gesprächsrunde nahmen teil:

Anna Stolz (Bayerische Staatsministerin für Unterricht und Kultus, München), Ralf Neugschwender (Bundesvorsitzender, Verband deutscher Realschullehrer, München), Dr. Christof Prechtl (stv. Hauptgeschäftsführer, vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V., München) und Prof. Dr. Ludger Wößmann (Professor für Volkswirtschaftslehre, Ludwig-Maximilians-Universität München, Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik, München). Gemeinsam diskutierten sie, durch welche Maßnahmen Verbindlichkeit auf der staatlichen, institutionellen und individuellen Ebene gesteigert werden kann. 

Unter www.vbw-aktionsrat-bildung.de finden Sie weiterführende Informationen zum Kongress und Gutachten.

Das Gutachten zum Download finden Sie hier.