Veranstaltung "Deutschland hat Zukunft" am 24. April 2024

Gutachten "Bildung und sozialer Zusammenhalt"

Das Ausmaß des sozialen Zusammenhalts einer Gesellschaft hängt von vielen Faktoren ab – geschichtliche Aspekte spielen hier ebenso eine Rolle wie sozioökonomische, kulturelle und politische Merkmale des jeweiligen Gemeinwesens. In den letzten Jahrzehnten haben verschiedenste Krisenherde dazu beigetragen, die Stabilität unserer Gesellschaft zu gefährden. Bildung spielt eine wichtige Rolle für die Entwicklung von sozialem Zusammenhalt, wie er im demokratischen Sinne zu verstehen ist. Das Bildungssystem kann entscheidend dazu beitragen, die erforderliche Integrationskraft unserer zunehmend individualisierten Gesellschaft zu fördern.

In seinem aktuellen Gutachten „Bildung und sozialer Zusammenhalt“ beschäftigt sich der von der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. initiierte Aktionsrat Bildung mit der Frage, welche Konzepte und Strategien dazu beitragen können, sowohl auf individueller als auch auf Ebene der Bildungseinrichtungen den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Das Gutachten wurde am 24. April 2024 im Rahmen des hybriden Kongresses „Deutschland hat Zukunft – Bildung und sozialer Zusammenhalt“ veröffentlicht.

Im Rahmen der Veranstaltung betonte vbw Präsident Wolfram Hatz die Bedeutung von sozialem Zusammenhalt für Gesellschaft und Unternehmen. Als bedeutsamste Hebel zur Förderung sozialer Kohäsion benannte er eine alters- und entwicklungsgerechte Sprachförderung und die Stärkung der Kooperationen von Schulen mit anderen gesellschaftlichen Akteuren, wie z. B. dem Ehrenamt in Vereinen.

Im Anschluss führte der Vorsitzende des Aktionsrats Bildung, Prof. Dr. Dr. h. c. Dieter Lenzen, in die Inhalte des Gutachtens ein. Er ging auf die gesellschaftlichen Entwicklungen ein, die dazu geführt haben, dass in den Medien verstärkt von sozialer Spaltung die Rede ist und erläuterte die Gefahren einer medialen Überhöhung dieser Tendenzen.

Die Inhalte des Gutachtens wurden durch drei weitere Mitglieder des Aktionsrats Bildung vorgestellt. Zu den psychologischen Hintergründen referierte Frau Prof. Dr. Bettina Hannover, Leiterin des Arbeitsbereichs Schul- und Unterrichtsforschung im Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie an der Freien Universität Berlin. Sie erläuterte die drei Kerndimensionen des Konzeptes der sozialen Kohäsion: „Soziale Beziehungen“, „Ausrichtung auf das Gemeinwohl“ und „Identifikation“ im Sinne einer sozialen Identität. Sie verdeutlichte, dass die Zugehörigkeit zum Gemeinwesen sich in positiven Einstellungen wie Vertrauen und Zugehörigkeitsgefühl sowie einer hohen Beteiligungsbereitschaft der Mitglieder widerspiegelt, die darüber hinaus soziale Beziehungen und Netzwerke pflegen und ihr Handeln am Gemeinschaftsbezug ausrichten.

Prof. Dr. Tina Seidel, Head of Department Educational Sciences, Inhaberin des Lehrstuhles für Pädagogische Psychologie, Technische Universität München, ging auf die Problemstellungen und Herausforderungen des sozialen Zusammenhalts in der Primar- und Sekundarstufe ein. Sie formulierte konkrete Empfehlungen, wie das Schulsystem auf allen Ebenen – von der individuellen Sprachförderung und Elternarbeit bis zur Aufnahme konkreter Maßnahmen und Ziele in die Rahmen- und Lehrpläne – den Zusammenhalt der Schülerinnen und Schüler unterstützen und Ausgrenzungen und Mobbing wirksam unterbinden kann.

Die zentralen Herausforderungen für die Hochschule und berufliche Bildung wurden von Herrn Prof. Dr. Karl Wilbers, Inhaber des Lehrstuhles für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg vorgestellt. Entlang der Kerndimensionen sozialen Zusammenhalts erläuterte er für beide Bereiche zentrale Strategien zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Im Bereich der beruflichen Bildung ging er dabei auch auf rechtliche Aspekte der Erwerbsmigration ein. Im Bereich Hochschule fokussierte er die gesellschaftliche Integrationskraft von Universitäten entlang der Kernaufgaben Lehre, Forschung und Transfer.

Die Präsentationen der Mitglieder des Aktionsrats Bildung wurden abgerundet durch eine Vorstellung von Praxisbeispielen, die veranschaulichten, wie an Schulen berufliche Souveränität erfolgreich umgesetzt werden kann. Im Anschluss an zwei kurze Filmbeiträge skizzierten Vertreterinnen der Städtischen Realschule Heinsberg sowie der Franz-Oberthür-Schule Würzburg, wie in ihren Einrichtungen sozialer Zusammenhalt gefördert und gelebt wird.

Bettina Stark-Watzinger MdB, Bundesministerin für Bildung und Forschung, betonte in ihrem Vortrag den Zusammenhang von sozialer Kohäsion mit der wirtschaftlichen Entwicklung und der Fähigkeit einer Gesellschaft, die individuelle Leistungsbereitschaft zu fördern. Sie stellte hierbei die zentrale Stellung des Bildungssystems heraus und erläuterte die wichtigsten Entwicklungsbedarfe.

Als letzte Rednerin gab die Ministerin für Bildung und Kultur des Saarlandes, Christine Streichert-Clivot, in ihrer Funktion als Präsidentin der KMK, Einblicke in die Sichtweise der KMK zum Thema. Sie betonte die hohe Bedeutung von Bildungsgerechtigkeit für den sozialen Zusammenhalt und unterstützte in ihren Ausführungen die Empfehlungen des Gutachtens nach verstärkter Sprachförderung, Stärkung der sozialen Identität der Schüler*innen sowie der Festigung der Gemeinwohlorientierung.

Die Veranstaltung wurde von einer Podiumsdiskussion abgerundet, die von Frau Andrea Mirbeth (Bayerischer Rundfunk) moderiert wurde. An der Gesprächsrunde nahmen teil:

Dr. Christine Modesto (Ministerialdirigentin, Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, München), Stefan Düll (Präsident, Deutscher Lehrerverband, Berlin), Prof. Dr. Nele McElvany (Geschäftsführende Direktorin des Institutes für Schulentwicklungsforschung der Technische Universität Dortmund), Theresa Rathß (stv. Bezirksschülersprecherin, Berufliche Schulen, Unterfranken) sowie Herr Dr. Christof Prechtl (stellvertretender Hauptgeschäftsführer der vbw und Leiter der Abteilung Bildung, Arbeitsmarkt, Fachkräftesicherung und Integration). Gemeinsam diskutierten sie, durch welche Maßnahmen die berufliche Souveränität der Einrichtungen und Teilnehmer*innen des Bildungssystems gesteigert werden kann.

Unter www.vbw-aktionsrat-bildung.de finden Sie weitere Informationen zur Veranstaltung und zum Gutachten sowie das Best-of-Video.

Das Gutachten zum Download finden Sie hier.